Fachkonferenz für Human Resources und IT 2019 zum Arbeitsplatz der Zukunft

Bei der HR Digital 2019 am 5. Juni in der Österreichischen Computer Gesellschaft fielen einige starke Statements und klare Worte zum Thema Arbeitsplatz der Zukunft. Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz, Assessment von digitaler Fitness und Web Accessibility im Recruiting Prozess waren Themen der Keynotes. Die Panels behandelten unter reger Beteiligung der Gäste Digitalisierung und KI im HR-Management sowie Recruiting und Digitalisierung für HR-Manager.

Nach der Eröffnung durch OCG Generalsekretär Ronald Bieber, stieg Nahed Hatahet, Gründer und CEO von HATAHET productivity solutions GmbH, gleich tief und praxisnah in die Fragestellung ein, wie künstliche Intelligenz unseren Arbeitsplatz verändert.

In seiner Keynote erklärte Nahed Hatahet freimütig, dass er sich darüber freuen würde, wenn Bots ihm seine Arbeit wegnähmen und er sich noch mehr auf jene Tätigkeiten konzentrieren könnte, die künstliche Intelligenz nicht ersetzen kann. Der IT-Berater stellte einleitend jedoch die Problematik der digitalen Demenz durch Überforderung auf: Datenexplosion, immer neuere (nicht unbedingt die sinnvollsten) Tools und unzählige Richtlinien.

„Wenn Bots Zeit für kreative Freiräume schaffen, profitiert der Mensch vom digitalen Arbeitsplatz“, so Nahed Hatahet.

Unternehmen müssten daher Zugriffsplattformen und Programme verwenden, die einen Mehrwert für die MitarbeiterInnen schaffen, sonst würden sie von diesen nie wirklich angenommen. Ein gutes Tool ist intuitiv und erklärt sich von selbst. „Wer von Ihnen hat für die Verwendung von YouTube eine Schulung gebraucht?“, stellt Hatahet die Frage in den Raum. Leider führen viele ArbeitgeberInnen komplizierte Programme in ihre Unternehmen ein, die wenig Nutzen und mehr Ärger schaffen.

Präsentation von Nahed Hatahet

Nahed Hatahed

Keine Angst vor KI

Der Spezialist für den Arbeitsplatz der Zukunft stellt das von ihm entwickelte System vor, das er selbst für seine Firma verwendet. Automatisierte Prozesse nehmen ihm und seinen MitarbeiterInnen wiederkehrende Tätigkeiten ab, geben einen Überblick über die vielen Datenspeicher, ermöglichen gleichzeitiges Arbeiten an einem Dokument, direktes Einpflegen von Infos statt E-Mail-Ping-Pong und sind 24 Stunden auf allen Geräten verfügbar.

Die Angst davor, dass künstliche Intelligenz den Menschen die Arbeitsplätze wegnehmen wird, hält Hatahet für sehr übertrieben. Inhärentes, unbewusstes Wissen (z. B. Autofahren) könne nicht einfach so in Maschinen programmiert werden. Kreative und emotionale Arbeit könne ebenfalls nicht von Maschinen geleistet werden.

Allerdings braucht es klare Gesetze für die digitale Transformation von Unternehmen und den Einsatz von künstlicher Intelligenz sowie eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Gesellschaft, insbesondere der Bildungsbereich, mit dieser Entwicklung umgehen soll. Es braucht Auffangsysteme für jene, die durch Maschinen ersetzt werden und es gilt den Generationenkonflikt zu beachten. Unternehmen brauchen eine gute Daten- und Bot-Ethik.

Fazit: Es geht auch in der Zukunft nicht ohne den Menschen, doch KI kann uns unterstützen, wenn wir uns diesen Fragen und Herausforderungen stellen.

Wie digital fit sind die BewerberInnen?

Natalie Harder von der OCG präsentierte anschließend Lösungen, wie ArbeitgeberInnen die digitale Fitness ihrer BewerberInnen überprüfen können und stellte die individualisierten IT-Assessment Tests der OCG vor. „Die Existenz der sogenannten Digital Natives ist ein Mythos“, so Harder. Niemand komme als IT-KennerIn zur Welt. Eine Studie der OCG von 2014 zeigte, dass die Jungen ihre Computerkenntnisse massiv überschätzen.

Natalie Harder

Natalie Harder

Web Accessibility auch im Recruiting Prozess

Werner Rosenberger von WACA legte in seinem Beitrag eindrucksvoll dar, wie groß die verlorene Zielgruppe ist, wenn Inklusion im Bewerbungsprozess nicht mitgedacht wird. So können nicht nur Behinderungen, sondern auch Sprachbarrieren, Alter oder Herkunft die Menschen vom Zugang zu Informationen ausschließen. „Menschen mit einer oder mehreren Beeinträchtigungen sind hoch motivierte und loyale MitarbeiterInnen“, so Rosenberger.

Dazu müssen sie aber im Bewerbungsprozess gezielter angesprochen werden und natürlich auch die Möglichkeit haben, an der Teilnahme nicht durch Barrieren behindert zu werden. Web Accessibility bringt nicht nur Vorteile für Menschen mit temporären (z. B. durch einen Armbruch) oder ständigen Einschränkungen, sondern bedeutet auch einen massiven qualitativen Benefit für alle UserInnen sowie einen wirtschaftlichen Erfolg für Unternehmen. Auch Technologien wie etwa Suchmaschinen finden barrierefreie Webauftritte besser.

Werner Rosenberger

Werner Rosenberger

Panel 1 zum Thema Best Practice und Erfahrungen mit Digitalisierung und KI im HR-Management

Nach einer Pause, in der die HR-Leute fleißig netzwerkten, ging es in der ersten Panel-Diskussion um die Erfahrungen und Best Practice Beispiele mit Digitalisierung und KI im HR-Bereich.

Microsoft etwa verwendet Artificial Intelligence bereits stark im Sourcing, also aktives, antizipierendes Recruiting, so Andrea Znidar, HR-Managerin von Microsoft. Dabei gehe es nicht ums Aussortieren, sondern um das Erkennen von Potenzialen. AI helfe mit einer enormen Menge an Daten sinnvoll umzugehen.

Martin Petsch von NAVAX konstatierte, Job-Inserate seien rausgeworfenes Geld. AI könne im Recruiting Prozess unterstützen, allerdings brauche es für Unternehmen zuerst einen intensiven Change Process bevor irgendein Tool installiert werde. Nur, wenn gut überlegt wurde, wohin man eigentlich möchte, spart AI Zeit und lenkt den Fokus auf das Wesentliche. NAVAX verwendet das Tool Precreen. Allerdings setzen sie nicht auf vollständig automatisches Screening, dafür brauche es die Erfahrung einer Recruiting-Person, so Petsch.

Die DiskutantInnen des 1. Panels

M. Lammer, G. Zakrajšek, R. Cesnjaj, A. Znidar, M. Petsch

Automatische Empfehlung für Weiterbildung der MitarbeiterInnen

Auch IBM legt mittels Software ein Persönlichkeitsprofil von potentiellen KandidatInnen an, sagte Gerhard Zakrajšek, HR-Leiter von IBM Österreich. „AI kann vorschlagen, wer eine Gehaltserhöhung bekommen soll oder es schlägt Weiterbildungen für verschiedene MitarbeiterInnen vor“, so Zakrajšek.

„Bei jungen MitarbeiterInnen ist die User Experience ein großes Thema“, erklärte Roni Cesnjaj, Cloud Sales SuccessFactors SAP. Sein Unternehmen versucht mittels AI die Stimmung der MitarbeiterInnen zu erfassen und Trends zu erkennen. Es werden zudem „Learning Recommendations“ eingesetzt, die MitarbeiterInnen Trainings empfehlen. Daten sollen zeigen, welche „Gaps“ MitarbeiterInnen haben.

Allerdings sieht sich Gerhard Zakrajšek hier mit zahlreichen rechtlichen Fragen konfrontiert. Die Strategie komme aus Amerika, wo vieles erlaubt sei, während in Europa strenger bei der Verwendung von Daten reguliert werde.

„Man kann extrem viel aus Daten herauslesen und daraufhin optimieren“, erklärte Andrea Znidar den Benefit von KI. So wurden bei Microsoft die Abläufe zur Reisekostenabrechnung elementar optimiert, als sich gezeigt hatte, dass sich 1.500 von 2.000 MitarbeiterInnen-Anfragen im Monat um dieses Thema drehten. Ziel ist es, dass Abläufe so effektiv sind, dass sich alle besser aufs Tagesgeschäft konzentrieren können. Der Vorteil ist, dass weniger Bauchgefühl, sondern Fakten genutzt werden, um gute Entscheidungen in der MitarbeiterInnen-Auswahl zu treffen, so Znidar.

Was praktisch ist, wird akzeptiert

Roni Cesnajaj bestätigte diese Erfahrung: „Wenn eine digitale Transformation die Arbeit erleichtert, gibt es null Probleme mit Adoption“. „Die Akzeptanz bei den MitarbeiterInnen ist hoch, wenn der Nutzen klar ist“, versicherte Martin Petsch. Um den MitarbeiterInnen die Ängste bezüglich des Einsatz von AI zu nehmen, helfe vor allem Transparenz, gute Kommunikation und laufende Information, waren sich die DiskutantInnen einig.

Zukunftsaussichten

„HR wird mehr in Richtung einer beratenden Funktion gehen“, so Zakrajšek. „Verwaltung und Standardprozesse werden zukünftig in den Hintergrund rücken und Human Resources wird zum Markenbotschafter für das Unternehmen“, bestätigte auch Petsch. Cesnjaj sieht HR vor allem in der strategischen Rolle: „Der Mensch wird im Mittelpunkt bleiben.“

Znidar stellte fest: „Recruiter werden mehr und mehr eine spezialisierte Rolle einnehmen, dadurch wird HR auch im Unternehmen sichtbarer. Für die MitarbeiterInnen der Personalabteilung wird es hingegen essenziell, das Unternehmen noch besser zu verstehen.“

Die Konferenz in der OCG war gut besucht.

Die Konferenz in der OCG war gut besucht.

Panel 2 zum Thema Recruiter: Modernes Recruiting und Digitalisierung – Erfolgsfaktoren, Tipps und Empfehlungen für HR-Manager

Im zweiten Panel diskutierten Recruiter über die Erfolgsfaktoren für modernes Recruiting. Kristina Knezevic, Country Manager Österreich bei XING eRecruiting, stellte gleich zu Beginn die Herausforderungen für modernes Recruiting dar: Der digitale Wandel der Arbeitswelt, Fachkräftemangel und der verstärkte Wunsch nach einer sinnvollen Aufgabe in der Berufswelt. „Wir brauchen eine ganzheitliche Betrachtung des Arbeitsmarktes“, so Knezevic.

Daniel Marwan, Geschäftsführer von epunkt, forderte mehr Denker- und Verkäufer-Mentalität. Das Wort „BewerberIn“ sei „outdated“, so Marwan. Gute Leute findet man nicht über ein Inserat, waren sich alle einig.

„Es wird uns etwas einfallen müssen, wenn wir Fachkräfte haben und halten wollen!“ (Rudi Bauer, StepStone)

Rudi Bauer, Geschäftsführer von StepStone, kritisierte, dass BewerberInnen schlecht behandelt würden. Während User schnelle Aktionen gewöhnt sind – so könne man etwa innerhalb von 4 Minuten online ein Konto eröffnen – bekommt man oft wochenlang keine Rückmeldung von Unternehmen und diese ist dann auch noch automatisiert und unpersönlich. StepStone hat viele Studien gemacht, um zu verstehen, warum der übliche Recruiting-Prozess nicht mehr funktioniert. Eine wesentliche Erkenntnis war, dass Unternehmen wieder mehr auf Augenhöhe mit den BewerberInnen kommunizieren müssen.

Die DiskutantInnen des 2. Panels

D. Marwan, F. Eblinger, K. Knezevic, R. Bauer, F. Oberascher

 

Klare Ansagen für Modernes Recruiting

Auch Marwan hält Feedback für wesentlich: „Einerseits sind die Mehrheit der Berufstätigen offen für einen Jobwechsel, andererseits gibt es wenig Rückmeldung auf gewöhnliche Jobausschreibungen.“ Die Stellenanzeigen seien austauschbar und nichtssagend. Es brauche daher mehr zielgruppenorientierte Kommunikation.

Florian Oberascher, Key Account Manager bei hokify, ergänzte, dass es darum ginge, den Bewerbungsprozess an sich einfacher zu machen. Prinzipiell seien viele Menschen wechselwillig, aber dazu müsse man sie aktiv ansprechen. Auch die Dauer von Bewerbungsprozessen war ein Thema, so würden gerade in der IT-Branche die besten KandidatInnen zu schnell „weggeschnappt“, wenn man langsam reagiere.

Florens Eblinger, Geschäftsführer Eblinger & Partner, betonte die Wichtigkeit von Transparenz im Bewerbungsprozess: „BewerberInnen wollen immer wissen wie es weitergeht, nachdem ein Schritt geschafft ist.“

Laut Kristina Knezevic müsse auch ein stärkerer Fokus darauf gerichtet sein, das Unternehmen einheitlich zu präsentieren. Während es für den Verkauf eines Produkts genaue Marketing-Strategien gebe, haben die wenigsten Unternehmen eine klare Vorstellung, wie sie sich vor potenziellen MitarbeiterInnen präsentieren können.

Traumjob hat Sinn und Wertschätzung

Technologisch könnte der HR Bereich weiter sein, dennoch helfe alles nichts, wenn das Unternehmen sich nicht klar mache, warum es eigentlich überhaupt existiert: „Sinn steht für die Menschen an erster Stelle bei ihrer Arbeit, an zweiter Wertschätzung“, so Bauer. Es muss für MitarbeiterInnen klar sein, warum sie überhaupt in diesem Unternehmen arbeiten. Das sei eine Management-Aufgabe. Statt mit oberflächlichem Branding, das „Wuzzler“ und den Snackautomaten am Arbeitsplatz anpreise, müsse man sich vor allem mit der Frage beschäftigen: „Warum braucht es uns als Unternehmen überhaupt?“

Moderator Max Lammer fasste abschließend die Eindrücke zusammen. Recruiter entwickeln sich zunehmend zu BeraterInnen, die der Geschäftsführung erklären, wie der Markt aussieht, wie er sich entwickelt und welche Skills und Leute daher benötigt werden. So schnell werden People Analytics und automatisierte Auswahl die Berufsgruppe der Recruiter also nicht ersetzen.

Mehr Fotos von der Veranstaltung finden sie hier: www.flickr.com/photos/ocg_bilder/albums

 

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